RB 24

35 forum privilegiatum war das Hofgericht fiir Exemte tätig, d. h. den Adel und die fiirstlichen Bediensteten; es war insoweit auch erste Instanz in Lehnssachen und bei gewissen schwereren Straftaten.^® Die beiden Hofgerichte in Wolgast und Stettin wurden allmählich arbeitsmäBig auBerordentlich stark belastet. In Hinterpommern versuchte man, die sich daraus ergebenden Probleme durch die Einrichtung einer Zwischeninstanz zu lösen. Zum einen deshalb und zum anderen auch wegen der groBen Entfernung Stettins von den nahe der polnischen Grenze gelegenen herzoglichen Ämtern errichtete man 1560 Burggerichte und Landvogteigerichte. Diese Gerichte wurden fiir den Adel aus diesen Gebieten die erste Instanz. Die Hofordnung von 1560 versuchte auBerdem, die östlichsten Teile von Pommern-Stettin (jenseits des Bistums Kammin) in Fragen der Gerichtsbarkeit abzutrennen und einem besonderen Appellationsgericht zu unterstellen.'^” Andererseits behielt der Kanzler, dem 1575 die Rechtsprechungsaufgaben im Hofgericht entzogen worden waren, jene Justizsachen zur Entscheidung, in denen von einigen dieser Gebiete (Lauenburg und Biitow) appelliert wurde, fiir die aber keine Appellationsinstanzen — weder das Hofgericht des polnischen Königs noch das RKG — festgelegt waren. Er entschied diese Sachen in der Kammer oder im Archiv. Das Archiv behandelte im iibrigen als Gericht unter anderem Sachen zwischen Bediensteten des Herzogs und Untertanen, Streitigkeiten zwischen dem Herzog und dem Adel iiber Lehen, Grenzen und Gerichtsbarkeiten sowie zwischen Herzog und Stadten. Das Archiv war also weitgehend eine Art Verwaltungsgericht. Nach älteren Forschungen ist dieses Gericht zuerst in Wolgast belegt. Man nimmt an, daB auch Streitigkeiten aus den herzoglichen Ämtern — sofern sie iiberhaupt zum Hof kamen —vomKanzler entschieden wurden.^^ Diese Rechtsprechungsaufgaben des Archivs miissen von denen des Hofgerichts getrennt werden. Zu den Aufgaben, die 1627 dem Statthalter Paul von Damitz als koordinierendem Rat fiir die beiden Teilherzogtiimer iibertragen wurden, geHofgerichtsordnung 1569, fol. 47 ff. — Dieses forum privilegiatum fiir den Adel beschränkte sich in Vorpommern in erster Linie auf die SchloBgesessenen (siehe unten Kap. 3.1.1.4.); oder richtiger jedes Gcschlecht oder jede Person, die vom Untergericht exemt geworden war, wurde zu den SchloCgesessenen gezählt, da diese Exemtion allmahlich unter dem Adel so iiblich wurde, daB nur eine kleine Zahl von Familicn oder Personen davon ausgcnommen war. —Kratz: Die pommerschen SchloBgcsessenen S. 53 f. -* Spahn: Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte S. 84. Es ist jedoch nicht vollständig geklärt, ob diese Reform gänzlich durchgefiihrt worden ist. —Hasenritter, Balt. Studien NF 39 S. 172. Spahn: Verfassungs- und Wirdschaftsgeschichte S. 84. Petsch: Verfassung S. 106 f. — Das Archivmaterial von der Tätigkeit dcs Archivs ist gering. Die von Petsch benutzten Materialien waren in dem schwer kriegsgeschädigten Stettiner Archiv verwahrt.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=