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425 Fakultäten unterschiedliche Ansichten oder waren beide anderer Meinung als „unsere Gerichts-Rethe“, sollte das Hofgericht selbst die Sache erneut beratenJ Auch in anderen Zweifelsfällen sollten ÄuBerungen einer Fakultät oder eines Schöppenstuhls eingeholt werden können. Beispielsweise war die Aktenversendung zu wählen, wenn das Gericht Zweifel iiber die Anwendung der Folter hatte.® Die PHO sprach weiter davon, daB die Aktenversendung entweder an einen Schöppenstuhl oder eine Fakultät stattfinden konnte. Daraus ergibt sich, daB juristische Fakultäten fiir Pommern also nicht die einzigen Versendungsinstanzen waren. Der Hinweis auf Schöppenstiihle diirfte vermutlich in erster Linie den Stettiner Schöppenstuhl betreffen,^ der auch im 16. Jahrhundert noch häufig um ÄuBerungen zu Strafsachen ersucht wurde.^® Die Aktenversendungspraxis des Hofgerichts wurde allgemein vorbildlich. In einemLandtagsabschied von 1606 wurde ausdriicklich festgehalten, das Verfahren habe „bey dem alten Herkommen, und wie es bisher in unserm Hofgerichte in Observation gehalten worden“ zu bleiben.^* Die alternative Aktenversendung an einen Schöppenstuhl ist jedoch noch im Bescheid iiber die Visitation des Stettiner Hofgerichts von 1613 erwähnt.’- Diese Bestimmung diirfte sich aus besonderen lokalen Umständen und der Tatsache, daB das Stettiner Scabinat immer noch bestand, erklären. Generell gesehen war die Aktenversendung an Schöppenstiihle im Zusammenhang mit der Verringerung ihres Ansehens zuriickgegangen und auf Fakultäten verlagert worden.^^ Diese Entwicklung fiihrte dazu, daB die Bestimmungen der Hofgerichtsordnung teilweise obsolet wurden, die beispielsweise vorschrieben, daB das Hofgericht bei Meinungsverschiedenheiten die Akten an zwei Universitäten versenden miisse. Diese Vorschrift war „vorlengst in desuetudinem gerathen“. Der VB von 1613 war insoweit erheblich restriktiver. Von Amts wegen sollte Aktenversendung nur noch stattfinden, wenn die Richter nicht einig waren und mindestens zwei abweichende Ansichten äuBerten. Erforderlich war weiter, daB sowohl die Mehrheit als auch die 7 PHO fol. 6. 8 PHO fol. 104 und 109 f. ® So Petsch: Verfassung S. 103. — In der PHO wird weder eine bestimmte Fakultät noch besonders das Stettiner Gericht genannt. Wie schon nach älterer Reichsgesetzgebung (1532) bestand weitgehende Wahlfreiheit bei Anfragen an Spruchkollegien. 1585 schlug der Herzog den Ständen die Verstärkung dieses Gerichts mit Doktoren und anderen Rechtsgelehrten vor. Stobbe: Geschichte II S. 73. Wolgast, den 7. Mai 1606. Dähnert: Sammlung I S. 610. RA: Pommerancia vol. 491. Vgl. Kap. 3.1.2. S. 47 ff. VB von 1613 Tit. 58 und 61 (zum NullitätsprozeB). Conrad: Rechtsgeschichte II S. 464.

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