228 territorialen Gerichte aus. Das privilegium de non evocando bedeutet, daB ein Burger eines Reichsstandes nicht vor das Gericht eines anderen Reichsstandes — sei es ein königliches oder ein territoriales — gezogen werden konnted®Während des Spätmittelalters hatte ein derartiges Privileg besondere Bedeutung, wenn eine Partei sich in erster Instanz an ein Gericht eines anderen Reichsstandes oder an den König wenden wollte. Während des Mittelalters bis zum 15. Jahrhundert erwirkten die meisten Reichsstände und freien Städte derartige Privilegien. In die Kammergerichtsordnung von 1495 wurde eine Bestimmung aufgenommen, daB jeder Untertan in erster Instanz nur der Gerichtsbarkeit des eigenen Landesherren unterworfen war. Die Evokationsregel wurde dadurch von einem Privileg zu einemRechtsgrundsatz.^^ Das Privileg der Kurfursten war in der Goldenen Bulle mit wichtigen Ausnahmen fiir Fälle versehen, in denen die Entscheidung eines Streites durch territoriale Gerichte verzögert oder verweigert wurde. In solchen Situationen konnte sich der Betroffene mit der querela protractae vel denegatae justitiae an das kaiserliche Hofgericht wenden (Goldene Bulle, Kapitel XI). Allgemein bestand fur Untertanen auch die Möglichkeit, sich bei Klagen gegen den eigenen Landesherren an das Reichsgericht zu wenden; während der Tätigkeit des RKG war dieser Weg praktisch möglich.^^ ImGefolge der spätmittelalterlichen Rezeption des italienischen Prozesses in Deutschland wurden die Regeln der Goldenen Bulle in einen neuen Zusammenhang gestelit. Während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelten sich deshalb die Appellationsprivilegien zu den differenzierten Typen, die zur Zeit der Griindung des RKGund später während seiner Tätigkeit bestanden. Man unterscheidet dabei folgende Arten: 1. Privilegia de non appellando illimitata. Diese unbegrenzten Privilegien, die den in der Goldenen Bulle gewährten entsprachen, schlossen jede Möglichkeit der Appellation von einem territorialen Gericht an ein auswärtiges Gericht aus. Sie waren urspriinglich nur fiir die mächtigsten Herren des Reiches, die geistlichen und weltlichen Perels: Appellationsprivilegien S. 1 f. ” Eisenhardt: SZGerm 86 (1969) S. 77. Perels: Appellationsprivilegien S. 1 f. — Vgl. hierzu auch Kn.\pp, SZGerm 48 (1928) S. 1. Mit Ausnahme des Königs von Böhmen. Zu dieser Beschwerde vor demRKG Perels, SZGerm 25 (1904) S. 1 ff. Thudichum, Zeitschrift fiir deutsches Recht 20 (1861) S. 208.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=