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223 gericht von den Ständen beherrscht worden, während die Kanzlei das wohl wichtigste Forum der erzbischöflichen Gerichtsbarkeit gewesen war. Nacli 1645 wurde die Kanzlei als einziges dieser Gerichte von der schwedischen Interimsregierung in Stade rekonstruiert. Zugleich versuchte die Regierung die Kompetenz der Kanzlei zu Lasten der Gerichte der Stände zu erweitern. In Pommern waren die Schweden erfolgreicher. Hier wurden alle Gerichte des Landesherrn wiedererrichtet. Hofgerichts- und Konsistoriumsentscheidungen wurden „in Abwesenheit der Königin“ ausgefertigt, Zudem wurde der Gedanke einer gesamtpommerschen Regierung, eines consilium status, der noch zu Zeiten des Herzogs aufgetaucht war, von den Schweden verwirklicht. Im iibrigen wurden dieser Regierung von den Schweden richterliche Aufgaben —u. a. in Formeiner Kontrolle der Untergerichte — zugewiesen, Der EinfluB beschränkte sich jedoch nicht auf die Obergerichte, Auch EinfluB und Stellung des Landesherrn in der lokalen Gerichtsorganisation auf dem Lande und in den Städten wurde von den Schweden ubernommen. Die Verhältnisse hinsichtlich der Gerichte auf dem Lande wurden indirekt von der Lehnspolitik beeinfluBt. Die Tisch- und Tafelguter in Pommern und auch im Erzstift Bremen wurden schwedischen Militärs und Verwaltungsbeamten mit Lehnrecht zugewiesen. Normalerweise behielt sich die schwedische Krone bei solchen Alienationen das jus superioritatis und damit auch die zukiinftige Kontrolle der Gerichtstätigkeit vor. Begrenzte Ausnahmen wurden jedoch hinsichtlich der Jurisdiktion iiber die vergebenen Guter gemacht. So erhielten in Pommern Sebastian Hempel und in Bremen Königsmarck von der Krone Donationen, die auch Gerichtsrechte umfaBten. In den Städten muBten die Schweden die vor ihrer Machtubernahme herausgebildeten Verhältnisse im wesentlichen akzeptieren. In Alten-Stettin konnte der Rat sogar die Stellung des Stadtgerichts insoweit stärken, als die Schweden auf die herzoglichen Beteiligungsrechte an der Gerichtstätigkeit verzichteten. Stralsund und Bremen leisteten den Schweden kräftigen Widerstand und weigerten sich, die schwedische Krone als neuen Herrn anzuerkennen. In derartigen Situationen waren die Schweden zum Nachgeben gegeniiber Klagen der Städte bereit. Die schwedische Reichsregierung hatte bei solchen Gelegenheiten keine Alternativen. In der problematischen Lage, in der sich Schweden befand, durfte sie sich die Städte nicht zu Feinden intra muros machen. In einem Punkt, der Militärgerichtsbarkeit, bedeutete die schwedische Intervention einen Fortschritt in der Entwicklung. Die schwedische Kriegsgerichtsorganisation wurde fiir die weitere Entwicklung in Deutschland und in mehreren anderen europäischen Ländern wegweisend. Schon in den Allianzverträgen mit Stralsund von 1628/29 sicherten sich die Schweden die Gerichtsbarkeit iiber ihr Militärpersonal. Die Einrichtung

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