RB 22

Kapitel 4 STAAT UND KIRCHE Die naturrechtlich geprägte Auffassung von Kirche der Aufklärung, brachte eine stärkere Betonung der rechtlichen Abgrenzung und Trennung der Kirche vom Staat mit sich. Gleichzeitig existierte die Kirche innerhalb des Staates. Fragen, die das Verhältnis zwischen diesen beiden unterschiedlichen Sozietäten beriihrten, wurden damit immer stärker akzentuiert, je mehr Raum die naturrechtiich geprägte Anschauung in der schwedischen akademischen Lehre gewann. Das Verhältnis der Kirche zum Staat wurde als ein wichtiges Problem aufgefasst, welchem man ein grosses Interesse im schwedischen akademischen Unterricht entgegenbrachte. Die zwei Hauptströmungen Territorialismus und Kollegialismus bestimmten auch in dieser Frage die schwedische Entwicklung. Diejenigen, die von der erst genannten Richtung beeinflusst waren, gingen vorwiegend vom Staatsrecht aus, die schwedischen Kollegialisten hingegen, gingen sowohl von Staat- und Kirchenrecht aus, wenn das Problem des Verhältnisses der Kirche zum Staat behandelt wurde. Fiir die letzteren wurde es auch zu einer Hauptfrage, wie die zwei unterschiedlichen Rechtssphären, nämlich Staats- und Kirchenrecht, sich zueinander verhalten sollten. Dieses wurde von drei verschiedenen Fragestellungen aus beleuchtet. Die erste Frage galt dem Problem, wie man in der schwedischen Lehre das ”jus circa sacra” begriindete, die zweite, wie man prinzipiell dieses Recht abzugrenzen versuchte und die dritte beschäftigte sich schliesslich mit dem Inhalt des Rechtes. I. Die Begriindung des Rechtes der Obrigkeit in kirchlichen Angelegenheiten. Diejenigen schwedischen akademischen Lehrer, die hauptsächlich von dem territorialistischen Hauptgedanken beeinflusst waren, betonten, dass die Obrigkeit ein allgemeines Inspektionsrecht ”inspectio generalis” iiber die Kirche habe. Dieses Recht war staatsrationell motiviert und gehörte deshalb zu den Majestätsrechten der Obrigkeit. Sowie die Obrigkeit das Inspektionsrecht iiber alle Kollegien im Staat hatte, so auch iiber die Kirche, der grösste Sozietät. Die schwedischen Kollegialisten hatten somit den gleichen doppelten Ausgangspunkt, sowohl im Staats-, wie auch im Kirchenrecht, wie die deutschen Kollegialisten. In Uebereinstimmung hiermit, postulierten auch die fiihrenden schwedischen Kollegialisten, dass die Obrigkeit ein allgemeines Inspektionsrecht iiber die Kirche habe. Dieses Recht war ein ”jus majestaticum” und nicht davon beriihrt, ob die Obrigkeit Glied der Kirche war, desgleichen spielte auch die Konfessionszugehörigkeit der Obrigkeit keine Rolle. Neben dieser ”insp>ectio generalis” gab es noch ein anderes Fundament fiir das ”jus circa sacra” der Obrigkeit. Wenn die Kirche das Ausiibungsrecht von einemoder einigen ihrer mittelbaren Rechte an die Obrigkeit iiberliess, war dies eine weitere Grundlage fiir das ”jus circa sacra” der Obrigkeit. Imersten Fall wurden die Rechte der Obrigkeit aus staatsrationellen Asp>ekten begriindet und waren somit ein Teil des Majestätsrechtes; imzweiten Falle hingegen stand das Kirchenrecht in Zentrum und dieser Teil des ”jus circa 349

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