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v^erschiedene Lösungsversuche wurden vorgebracht. Nach einer, in den ersten Dezennien des 18. Jahrhunderts recht gewöhnlichen Theorie, erhielt die Obrigkeit ihre ”majestas” ”abstractive” gesehen von Gk)tt, jedoch ”concretive” war die Macht durch Vertrag zwischen den Menschen entstanden. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts lebten in einer Anzahl von Abhandlungen die Bezeichnungen der Obrigkeit als ”divinitus institutus” oder ”vices Dei in terris” fort, ohne dass dies jedoch die hauptsächlich vertragsrechtliche Vorstellung von Obrigkeit und deren Macht gefährden konnte. Es wurde ubiicher, dass man die Ansicht vertrat: die Obrigkeit habe ihre ”majestas” zwar durch Vertrag bekommen, aber die letzte Ursache fiir diese ”majestas” sei gleichwohl Gott selbst. Allmahlich trat eine Verschiebung dahingehend ein, dass man annahm, die ”Vorsehung Gottes” habe bei der Staatsbildung mitgewirkt und dabei habe die Obrigkeit ihre ”majestas” bekommen. Ein vage formulierter Vorsehungslaube musste die Antwort auf die Frage nach der biblischen Legitimierung der politischen Macht geben. Der Gedanke an ein aktives Eingreifen Gottes in die Geschichte wurde verdrängt und Vertrag und Uebereinkommen der freien Individuen wurden in den Mittelpunkt geriickt. Die Staatsauffassungen und die Vorstellungen vom Fundament der politischen Macht im Staate wurden mehr und mehr säkularisiert. Gleichwohl hielt man an dem religiös geprägten Verständnis v’om Staat und dem Machtverhältnis in ihmfest; und zwar so, dass man den Gedanken, dass alles Geschaffene von Grt>tt abhängig sei und dass ”Gk>ttes Vorsehung” auch an der Staatsbildung teilgenommen habe, nicht aufgab. Kapitel 2. STAAT UND RELIGION I. Die politische Funktion der Religion imStaate. Durch die immer mehr fortschreitende Säkularisierung der Staatsauffassung selbst, sowie durch die veränderten Vorstellungen iiber die Grundlagen der politischen Macht, die das Naturrecht der Aufklärung mit sich brachte, wurde der religiöse Zug im Verständnis von beiden, Staat und Machtverhältnis in ihm, geschwächt. Die Frage nach dem Zweck und Ziel des Staates, wurde als eine rein innerweltliche Frage aufgefasst. Die Aufgabe des Staates bestehe vomehmlich darin, seinen Biirgern grösst mögliche Sicherheit und Ruhe zu gewährleisten. Die Frage nach der Funktion der Religion im Staat kam damit in gewisser Weise in eine neue Situation. Ausgehend von der veränderten Staatsaiuffassung, war man gezwungen, sich von neuen Ausgangspunkten her, Gedanken iiber die politische Funktion der Religion im Staate zu machen. Auch in dieser Frage gab es einen engen Zusammenhang mit vorallem der deutschen Entwicklung. Man kniipfte besonders an Pufendorfs Gedanken in dessen Schrift ”De officio hominis et civis iuxta legem naturalem libri duo” (1673) an. In diesem Werk 342

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