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Die Problemstellung der Abhandlung hat auf natiirliche Weise deren Disposition bestimmt. Das erste Kapitel ist eine Analyse der damals herrschenden Auffassungen vom Wesen des Staates, von denen man ausging. Das zweite Kapitel untersucht die politische Funktion der Religion fiir den Staat und beleuchtet dariiberhinaus die Fragen der Religionsfreiheit. Das dritte Kapitel bringt eine Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen vom Begriff der Kirche, die es innerhalb der Lehre gab, sowie einen Bericht von der Vorstellung eines selbstständigen, vom Staatsrecht getrennten, Kirchenrechtes. Das vierte Kapitel schliesslich zeigt, wie man imschwedischen akademischen Unterricht während des 18. Jahrhunderts das Verhältnis von Staat und Kirche verstand. 1. Kapitel: DIE STAATSAUFFASSUNGEN. I. Die naturrechtlich geprägten Staatsauffassungen. Das Problem von der Entstehung des Staates und des Gcsellschaftsvertrages. Diskutierte man im 18. Jahrhundert das Verhältnis des Staates zur Religion im Allgemeinen und zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft im Besonderen, so setzte man in erster Hand eine bestimmte Staatsauffassung voraus. Das erste Kapitel analysiert deshalb die massgeblichen Staatsauffassungen in der schwedischen akademischen Lehre. Diese Staatsauffassungen waren stark von naturrechtlichen Vorstellungen der Aufklärung bestimmt. In Anlehnung an die zeitgenössische deutsche, englische und französiche staatswissenschaftliche Lileratur, behandelte der schwedische Universitätsunterricht vorallem Fragen die, die Herkunft und die Konstruktion des Staatsvertrages selbst beriihrten. Die erste Frage gait hauptsächlich dem Motiv der Staatsbildung, sowie den Griinden, weshalb die Menschen den ”status naturalis” verlassen und Staaten gebildet haben; hierbei wollte man besonders wissen, was der Anlass, die ”causa impulsiva constituendae civitatis” hierzu gewesen sei. Die zweite Frage beschäftigte sich damit, zu ergriinden, wieviele Verträge, ”pacta” vonnöten seien, damit ein Staat gebildet werden könne. Auch in der schwedischen Debatte um die Frage der ”causa impulsiva” spiegelten sich die unterschiedlichen Auffassungen wider, die die deutsche, englische und französische staatswissenschaftliche Doktrin hierzu hatte. Von der deutschen Entwicklung wurden besonders die Theorien von Pufendorf, Thomasius, J. H. Böhmer, Huber, Fichte und Kant aufgegriffen. Von der englischen Entwicklung beschäftigte man sich vorallem mit den Vorstellungen von Hobbes und Locke und etwas später auch mit den Kontraktskritiken der englischen, sogenannten ”moral-sense”-Philosophie. Auf dem französischen Gebiet mass man Rousseau und Montesquieu die grösste Bedeutung zu. Bis ungefähr zur Mitte des 18. Jahrhunderts stand die Frage der ”causa im339

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